Als ich 1966 geboren wurde, da waren die Bilder im Fernsehen noch schwarz, weiß und grau. Nicht viel anders sah für diejenigen, die mitten im Ruhrgebiet lebten, an vielen Tagen im Jahr der Blick aus dem Küchenfenster aus. Im Schatten der Schwerindustrie konnte man erleben, welche Folgen massive Umweltverschmutzungen auf das Leben und vor allem auf die Gesundheit der Menschen hatte. Keine Angst, ich werde jetzt nicht das allseits beliebte Bild von der weißen Wäsche auf der Wäscheleine bemühen. Am heutigen Weltumwelttag geht es mir um eine ganz andere Sache als um Lokalkolorit.
Im Bundestagswahlkampf 1961 sprach Willy Brandt einen berühmten Satz, der mir und vielen anderen Menschen aus dem Ruhrgebiet heute noch Mahnung und Ansporn zugleich ist: „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden!“ Kein Satz eines grünen „Visionärs“, sondern eines Sozialdemokraten!
Dieser kurze Satz brachte vieles auf den Punkt. Klar, im Ruhrgebiet gab es ein massives Umweltproblem, das durch die Industrie verursacht wurde. Viel unterschwelliger sagt dieser Satz aber aus, dass eine aktive Umweltpolitik auch ein Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit ist.
Je ärmer Menschen sind, desto stärker sind sie den Auswirkungen von Umweltproblemen ausgesetzt. Wenn ich genug Geld habe, dann kann ich mir ein Häuschen im Grünen bauen und muss nicht in dicht bebauten Quartieren leben, die sich im Sommer unerträglich aufheizen. Wenn ich genug Geld verdiene, dann kann ich mir ein Auto leisten, um damit in einen Stadtteil zu ziehen, der nicht ganz so nah an meinem Industriearbeitsplatz ist. Oder um den Maßstab zu erweitern: Wenn ich in einem reichen Land lebe, schützt mich der Staat mit hohen Deichen vor dem Meeresspiegelanstieg und Extremhochwasser.
Insofern ist aktive Umweltpolitik für mich eine der wichtigsten Aufträge der Sozialdemokratie!
Und wir können das! Der Himmel über der Ruhr ist heute wieder blau. Saurer Regen, der in den 1970er und 1980er Jahren zu einem massiven Waldsterben führte, ist Jüngeren heute kein Begriff mehr. Auch die Bäche im Ruhrgebiet sind heute wieder klar und voller Leben. Das Zeitalter der „Köttelbecke“ Emscher ist so gut wie überwunden. Und Industrie gibt es im Ruhrgebiet immer noch. Zwar nicht mehr so viel, dafür aber mit besseren Filtern und effektiveren Anlagen.
Das macht mich zuversichtlich, dass wir in Deutschland auch unseren Beitrag zur Klimawende schaffen werden. Die Folgen des Klimawandels betreffen uns alle. Und sie sind mittlerweile nicht mehr abstrakt wie vielleicht vor 20 Jahren, als man sich über einen wärmeren Sommer noch gefreut hätte. Wir erleben gerade wieder ein massives Waldsterben. Nicht, weil saurer Regen fällt, sondern weil über Wochen und Monate gar kein Regen fällt. Wir erleben, dass es im Sommer in den Städten immer unerträglicher wird und es in immer mehr Geschäften stromfressende Klimaanlagen gibt.
Die Klimawende schaffen wir nur, wenn jede und jeder mitzieht. Dafür brauchen wir die Akzeptanz in der Gesellschaft. Ob Verbote und Verteuerungen allein reichen werden, wie es die Grünen momentan propagieren, mag ich bezweifeln. Es ist keinem Durchschnittsverdiener*in zu vermitteln, dass verzichtet werden soll. Es ist Menschen mit geringen Einkommen, die kaum zum Leben reichen, nicht zuzumuten, dass sie noch mehr Geld für den Weg zur Arbeitsstätte ausgeben müssen. Und das Fahrrad ist nicht für jede und jeden die Alternative, für die es verkauft wird. Nach einer 10-Stundenschicht im Krankenhaus hätte ich nicht die Kraft, nochmal 10 Kilometer mit dem Fahrrad nach Hause fahren zu müssen. Versteht mich nicht falsch, wir müssen mehr in die Fahrradinfrastruktur investieren, aber noch sinnvoller wäre ein flexibler und zuverlässiger öffentlicher Nahverkehr und umweltfreundlicherer motorisierter Verkehr.
Und vergesst bitte bei der Diskussion um die Industrie nicht, dass hinter dieser Arbeitsplätze und damit Existenzen stecken. Es ist dem Klima nicht geholfen, wenn wir die Industrie in Deutschland bekämpfen und Autos, Stahl oder chemische Erzeugnisse stattdessen unter katastrophalen Umwelt- und Arbeitsbedingungen irgendwo anders auf der Welt produziert werden.
Lasst uns lieber Geld in die Hand nehmen und in die umweltfreundliche Weiterentwicklung der Industrie und der Energieproduktion in Deutschland stecken. Das CO2-freie Stahlwerk ist keine Utopie mehr, sondern greifbar. In Deutschland gibt so viele kluge Köpfe, die in den letzten Jahrzehnten viele nützliche Technologien entwickelt haben, die es aber nie zur Marktreife geschafft haben, weil es dann eben doch billiger war, in konventionelle Technologien zu investieren. Rendite halt…
Also, lasst uns mutiger und lasst uns zuversichtlicher sein. Oder mit den Worten von Barack Obama: „Ja, wir können es!“