Manchmal werde ich gefragt, wann ich anfing, mich für Gleichstellung einzusetzen. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das nicht so genau. Denke aber in letzter Zeit, in Momenten wie diesen allein im Abteil auf dem Rückweg von Düsseldorf, häufiger darüber nach.
Motiviert von den Büchern über Hanni und Nanni, wollte ich nach der Grundschule auf ein Mädchengymnasium, das es damals in meiner Heimatstadt Wattenscheid schon gar nicht mehr gab. Meine Mutter war der Ansicht, dass für ein Mädchen die Mittelschule reiche. Ich würde ja eh heiraten. Aber ich setzte mich durch. Leicht ist mir die Schule nicht immer gefallen und das Abitur war echte Fleißarbeit. In der Pubertät machte mich mein Mathelehrer mit seinen Sprüchen über Frauen und den drei Ks ( Kinder, Küche, Kirche) rasend.
Dann kam ich in die Oberstufe und fand Lehrer*innen, die ich mit Texten von Alice Schwarzer, Simone de Beauvoir und anderen tollen Frauen konfrontierten. Ich war begeistert und Sprüche wie „ eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad“ gehörten ab dem Zeitpunkt zu meinem sprachlichen Repertoire. Ich studierte mein Traumfach (Sozialarbeit) und konnte dann meine Überzeugung zum Beruf machen. Recht schnell kam ich hier an meine Grenzen. Feministische Maßstäbe hatten in einer Obdachlosensiedlung nichts zu suchen.
Aber ich hatte Erfolg, wurde Mutter und wollte beides. Kind und Karriere! Zum Glück unterstützte mich mein Mann. Unsere Lebensumstände waren wahrlich nicht immer einfach. Aber wir haben es gepackt. Ich lebe in einer glücklichen Familie und habe eine tolle Tochter, die über jeden Macho nur lachen kann. ?
Und jetzt darf ich Frauen- und Gleichstellungspolitik gestalten. Selbstverständlich profitiere ich aus meinem Erfahrungsschatz und selbstverständlich engagiere ich mich für die Interessen der Frauen. Es ist ein großes Glück und ich kann von mir behaupten, dass ich sehr sehr glücklich mit meiner Tätigkeit bin. ?