Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) hatte Lothar Binding, den finanzpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Bundesvorsitzenden der AG 60 plus zu Gast. Er bezog Stellung zur Steuergerechtigkeit in Deutschland.
In Ihrer Begrüßung hob Anja Butschkau, die Landesvorsitzende der AfA in NRW, Gerechtigkeitsaspekte hervor. Sie bemängelte, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass kleine Handwerksbetriebe die Steuerlast trügen und so unser Gemeinwesen finanzierten, während eine Anzahl Reicher ihren Reichtum ins Ausland brächten und skrupellose Geschäftemacher sich mit Cum-Ex Geschäften oder Umsatzsteuermodellen auf Kosten der Allgemeinheit betrügerisch bereicherten.
„Für Straßen, Kindergärten, Schulen, Schwimmbäder und die Bekämpfung von Armut fehle das Geld“, so Butschkau. „Und wenn man dann hört, dass diejenigen, die ohnehin schon besitzen, ihren Reichtum ins Ausland bringen, um Steuern zu vermeiden… ja, dann muss man feststellen, dass wir noch einiges zu tun haben.“
Anja Butschkau kommt zu dem Schluss: „Wenn wir eine gerechte Gesellschaft schaffen wollen, dann ist Steuergerechtigkeit eine der Säulen von Gerechtigkeit. Ohne Moos nix los.“
Thomas Klüh, Vorsitzender der AfA im Unterbezirk Unna, berichtet, dass die AfA seit 2016 an einem Steuerkonzept gearbeitet habe. Dieses Konzept diente als Grundlage für einen Beschluss des SPD Unterbezirks Dortmund zur Steuerpolitik. „Steuerrecht und Vollzug der Steuergesetze gehören zusammen. Ein effektiver Steuervollzug kann erreicht werden, wenn einfachere Steuergesetze und genügend Betriebsprüfer sicherstellen, dass der Staat nicht jedes Jahr um viele Milliarden Steuergelder geprellt wird“, so Klüh.
Lothar Binding erläuterte am Flipchart die Grundzüge des deutschen Steuerrechts und arbeitete dabei die unterschiedlichen Ansätze der Parteien in der Steuerpolitik heraus. Er machte deutlich, dass ein „flacher Steuertarif“, wie ihn die FDP propagiere, nicht gerecht sei und ausschließlich dazu diene, Wohlhabende bzw. Reiche steuerlich zu entlasten.
Er hob das vom Grundgesetz vorgeschriebene Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit hervor. An einem Zollstock veranschaulichte Lothar Binding beispielhaft, dass Arbeiter*innen mit einem Einkommen von 4cm und Ingenieure mit Einkommen von 8 cm eine Steuer von 25% oder 42 % finanziell deutlich schwerer verkraften können, als Manager mit einem Einkommen von 200 cm. Zwar zahlt der Manager mit ca. 90 cm eine viel höhere Einkommensteuer als der Arbeiter mit 1cm oder der Ingenieur mit 3,5 cm. Trotzdem sei es gerecht, weil er diese höhere Steuerlast aufgrund seines sehr viel höheren Einkommens leichter tragen könne, als andere eine niedrigere Steuer.
Lothar Binding erläuterte wesentliche Grundzüge der Unternehmensbesteuerung und schilderte auf anschauliche Weise verschiedene Modelle zur Gewinnverlagerung in Steueroasen. Als Beispiele erläuterte er die Gewinnverlagerung durch Verrechnungspreise, Zinszahlungen an eigene Unternehmenstöchter oder die Zahlung von Lizenzgebühren an eine eigene Patentbox in Holland. Auch Markenrechte dienten der grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung – Wir erinnern uns: „Nike zahlt Geld an Nike, damit Nike-Schuhe wie Nike-Schuhe aussehen dürfen. …. „[1]
Er arbeitete die unterschiedlichen Ansätze in der Steuerpolitik von SPD und Union heraus und erläuterte, dass die Steuerreform zu Beginn der 2000 er Jahre für deutlich mehr Steuergerechtigkeit gesorgt habe: „Wir haben zwar den Spitzensteuersatz gesenkt, im Gegenzug konnten wir eine Reihe von Steuervergünstigungen, die im wesentlichen Steuersparmodelle für Reiche waren, streichen.“ So wurde seinerzeit erreicht, dass Reiche sich Ihren Steuerverpflichtungen in vielen Fällen nicht mehr durch reine Abschreibungsmodelle und Verlustzuweisungen entziehen können.
Abschließend stellte er politische Lösungsvorschläge vor. Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen steuerschädlichen Wettbewerb von Staaten (Steueroasen) und gegen die Steuerflucht internationaler Konzerne sei die BEPS[2] – Initiative (Erosion der Bemessungsgrundlage durch Gewinnverlagerung) der Industriestaaten (OECD) mit 15 Aktionspunkten. Er nannte als Beispiele auch die Zinsschranke, die Lizenzschranke, die Hinzurechnungsbesteuerung und den internationalen Informationsaustausch.
Die SPD fordert die internationale Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen mit der Einführung von Mindeststeuersätzen. Unternehmen sollen zukünftig dort ihre Steuern zahlen, wo sie den Gewinn erzielen, also dort, wo die Wertschöpfung stattfindet.
Zum Abschluss wies Thomas Klüh darauf hin, dass der Vorstand der NRWSPD in dieser Woche einen umfassenden Leitantrag Steuern vorgelegt habe. Die AfA werde sich mit dem Antrag auseinandersetzten.
Unter anderem fordert die AfA:
- Einen gerechten Steuertarif, der kleine und mittlere Einkommensbezieher entlastet und die Bezieher hoher Einkommen durch Einführung einer 3. Progressionsstufe bis 108.000 € mit einem höheren Spitzensteuersatz von 50 % beteiligt, dazu eine Änderung der bestehenden Steuersystematik, die dazu führt, dass Steuervergünstigungen eine gerechtere Entlastung bewirken.
- Steuervereinfachungen mit dem Ziel, das Finanzbeamte mehr und effektiver Steuerprüfungen durchführen können.
- Deutlich mehr Steuerprüfungen, damit der Fiskus keine großen Summen durch Verzicht auf Prüfungen oder Verjährung verliert.
- Gerechte Erbschafts- und Schenkungssteuern sowie die Wiedereinführung der seit 1997 ausgesetzten Vermögenssteuer.
Die AfA-Regionalvorsitzende Bianca Hermann bedankte sich bei Lothar mit den Worten: „Wir unterstützen Dich und die SPD-Bundestagsfraktion im Kampf für Steuergerechtigkeit.“
[1]www.sueddeutsche.de: Süddeutsche Zeitung Paradise Papers: Just do it https://projekte.sueddeutsche.de/paradisepapers/wirtschaft/nike-und-die-niederlande-prellen-den-deutschen-staat-e116625/
[2] BEPS: Base Erosion and Profit Shifting; Bundesfinanzministerium: Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung. „Bei diesem Projekt handelt es sich um ein international abgestimmtes Vorgehen gegen schädlichen Steuerwettbewerb und gegen aggressive Steuergestaltungen international tätiger Unternehmen. Auf der Grundlage eines Aktionsplans mit 15 Maßnahmen wurden konkrete und umsetzbare Empfehlungen erarbeitet.“