„Bis auf Wehmut geht’s“, so lautete die Antwort meines 84-jährigen Genossen, mit dem ich regelmäßig telefoniere. Er leidet seitdem seine Frau vor zwei Jahren gestorben ist. Und bis auf die täglichen Besuche auf dem Friedhof und den Kontakt zu uns im Ortsverein hat er auch nicht mehr viel. Er wohnt allein und wird unterstützt von seinem Neffen und einem Pflegedienst, der dreimal die Woche kommt und nach dem Rechten schaut.
Und genau darum ging es in unserem letzten Telefonat. So hatte mein Genosse die Mitteilung erhalten, dass die Pflegerin, nennen wir sie Maja, die hauptsächlich zu ihm kommt und die er sehr in sein Herz geschlossen hat, vorübergehend woanders eingesetzt werden muss. Dafür käme jetzt eine Kollegin, die er zwar kenne, aber die ihm nicht so nahe stünde. Weil Maja doch so gut für ihn koche und er ihr nicht erklären müsse, was er gerne äße. Und außerdem würde Maja ihn doch viel besser verstehen…
Ich habe ihm versprochen, mich zu kümmern. Ein kurzer Anruf beim Pflegedienst machte das Dilemma deutlich: Pflegerin Maja musste woanders einspringen, weil in anderen Routen genau ihre Kompetenzen und ihre Fachlichkeit fehlten. Die aktuelle Situation verschärfe die personellen Engpässe, die in der Pflege sowieso schon da seien…
Also muss mein Genosse jetzt mit der anderen Pflegerin Vorlieb nehmen. Ist nicht schlimm, habe ich mir im ersten Moment gedacht. Hauptsache, er ist versorgt. Aber dann habe ich noch mal näher darüber nachgedacht…
Der Genosse, dessen Name ich Euch selbstverständlich nicht verrate, ist einer von den alten Menschen, die sich ihr ganzes Leben für andere eingesetzt haben. Er ist mit dafür verantwortlich, dass unser Land wieder aufgebaut wurde und dass wir jetzt in Wohlstand und Freiheit leben.
Da er von der Pandemie besonders betroffen ist, sind wir jetzt für Menschen wie ihn verantwortlich.
Unter Verantwortung verstehe ich zum Beispiel die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Bezahlung für Pflegekräfte. Damit es mehr von ihnen gibt und sie mehr Zeit für die Senior*innen haben. Damit Frauen wie Maja eben nicht abgezogen werden müssen, sondern dort bleiben können, wo Vertrauen aufgebaut wurde. Da ist Politik gefragt, sie muss handeln! Wir als SPD haben da schon konkrete Vorstellungen! Wen wundert’s?!
Ja, und dann gibt es noch das ehrenamtliche Engagement. Von Menschen, die möchten, dass es anderen Menschen einfach besser geht. Die nicht reden, sondern anpacken!
Ein Beispiel dieser gelebten Solidarität durfte ich gestern wieder erleben. Patrick Arens, Vorsitzender des Schaustellervereins Rote Erde, war gemeinsam mit Adolf Hirsch und seiner historischen Jahrmarktsorgel im Minna-Sattler-Seniorenzentrum und hat dort sehr zur Freude der Bewohner*innen bei strahlendem Sonnenschein ein Konzert gegeben. Auch da hatte ich wieder total nette Begegnungen mit Bewohner*innen, die ich in all der Zeit lieb gewonnen habe. Aber dazu vielleicht später mal…
Aber noch ein Wort zu den Schaustellern, denen es im Moment ja nun wirklich durch Corona besonders schlecht geht. Wie viele anderen (Solo-)Selbstständigen und Künstler*innen sind auch ihnen alle Aufträge weggebrochen und völlig unklar ist es, wie und wann es nun weiter gehen soll.
Und dennoch machen sie sich auf den Weg: Veranstalten Konzerte in Seniorenzentren, helfen bei der Tafel aus und sind überall dort, wo Unterstützung angesagt ist! Alles unentgeltlich, aus Solidarität.
Aber Solidarität darf nicht überstrapaziert werden. Sie ist keine Einbahnstraße! Deshalb müssen wir alles dafür tun, den Schaustellern, den (Solo-)Selbstständigen und Künstler*innen zu helfen. Unter anderem auch deshalb, damit Patrick Arens sein Versprechen einhalten und Bewohner*innen des Minna-Sattler-Seniorenzentrums zur nächsten Osterkirmes einladen kann.