Wir brauchen mehr als nur Danksagungen – Wir brauchen mehr Wertschätzung!

Ihr habt mich dazu ermutigt: Unter dem Motto „Gebt mir zwei Minuten“ werde ich in den nächsten Tagen meine grundsätzlichen Gedanken zu bestimmten Themen hier an dieser Stelle veröffentlichen. Nachdem ich vor einigen Wochen eher durch Zufall (mir war auf dem Rückweg von Düsseldorf langweilig) meine Gedanken im Zug niedergeschrieben habe, habe ich viele positive Zuschriften erhalten.

Wie könnte es anders sein, beschäftige ich mich als Sozialpolitikerin in diesen Tagen verstärkt mit den sozialen Folgen dieses katastrophalen Virus. Und das auch, weil dieser Ausnahmezustand soziale Ungerechtigkeiten gnadenlos offen legt und sie in vielen Bereichen verschärft.

Anja Butschkau mit Pflegekräften bei einem Praktikum im Minna-Sattler-Seniorenzentrum der AWO Westliches Westfalen in Dortmund
Im April 2019 konnte ich im Rahmen eines Praktikums im Minna-Sattler-Seniorenzentrum selbst einen Einblick in die Pflege erhalten. Hierbei habe ich sehr engagierte Menschen kennengelernt, die einen wichtige Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.

Lasst mich einige Beispiele nennen: Während sich viele Menschen im Homeoffice einrichten können und über die Qualität von Telefonverbindungen jammern, gibt es viele, die jetzt im Einzelhandel, in der Justiz, in den Kitas und in der Pflege ihre Knochen für uns hinhalten. Ich möchte daran erinnern: Menschen, die nicht wissen, wie sie mit dem Geld, was sie am Monatsende erhalten über die Runden kommen, wissen jetzt mit 60% oder 67% Kurzarbeitergeld erst recht nicht wie es weiter gehen soll.

Habt Ihr Euch schon mal die Frage gestellt, was mit den Solo-Selbständigen ist, die von heute auf morgen kein Geld mehr zum Leben haben? Was ist mit der Kaffeebudenbesitzer*in, dem/r Friseur*in oder auch dem/r Physiotherapeut*in, dem/r von heute auf morgen die Patient*innen aufgrund bestehender Ängste wegbleiben?

Und was ist mit unseren Kindern, die ja angeblich unsere Zukunft sind? Wie sehen die Bildungsangebote im Moment aus? Und auch hier gilt, dass ungleiche Voraussetzungen zu ungleichen Ergebnissen führen. E-Learning geht leichter, wenn man Tablet, Computer und am besten noch Eltern hat, die bei den Aufgaben helfen.

Und natürlich sieht die Freizeitgestaltung von Kindern in einer 50 Quadratmeter großen Mietwohnung anders aus, als die von Kindern, die mit ihren Eltern im Haus mit Garten leben. Auf Themen wie Gewalt, Missbrauch und soziale Vereinsamung gehe ich jetzt in zwei Minuten bewusst nicht ein.

Mir ist durchaus bewusst, dass die jetzigen Regelungen im Umgang mit dem Virus unumgänglich und richtig sind. Schwarzmalerei im Umgang mit Problemen hilft nicht. Hilfspakete werden geschnürt, Danksagungen werden von allen Seiten ausgesprochen. Gut und richtig!

Und trotzdem möchte ich, dass wir uns immer wieder vor Augen führen: Wir brauchen mehr als Danksagungen. Wir brauchen mehr Wertschätzung für bestimmte Arbeitsbereiche und gesellschaftliche Gruppen. Wir brauchen faire Löhne und eben auch mehr gesellschaftliche Solidarität. Und die hat ganz, ganz viele Facetten…!

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