Als im Jahr 2014 der Islamische Staat (IS) weite Teile Syriens und den Nordirak eroberte, folgte ein Genozid an den Menschen der ethnisch-religiösen Gruppe der Jesiden. Schätzungen der Vereinten Nationen nach wurden bis zu 10.000 Jesid*innen ermordet und größtenteils in Massengräbern verscharrt. Über 300.000 Menschen wurden allein aus der Region Sindschar zur Flucht gezwungen, ihre Häuser, Dörfer und Städte zerstört, so dass sie bis heute in riesigen Flüchtlingscamps leben. Über 7.000 jesidische Frauen und Mädchen wurden vom IS entführt, versklavt und auf schlimmste Weise systematisch vergewaltigt und misshandelt. Auch heute noch ist das Schicksal von mehr als 2.500 jesidische Frauen und Kinder unbekannt. Der Völkermord an den Jesid*innen wurde vom Europäischen Parlament und vom Bundestag anerkannt.
Anlässlich des Tags gegen Gewalt an Frauen lud der Arbeitskreis Gleichstellung und Frauen der SPD-Landtagsfraktion Ende November die Hilfsorganisation Farida Global und junge Frauen, die dieses Martyrium erleben mussten, in den Landtag ein. Wir wollten ihnen Gehör verschaffen und aufzeigen, dass uns ihr Schicksal bewegt.
Rund 75.000 Jesid*innen flohen in den letzten Jahren nach Deutschland. In Folge der schrecklichen Erlebnisse, die ihnen widerfahren sind, leiden sie unter starken Traumata. Umso unverständlicher ist es, dass seit einigen Monaten jesidische Menschen vermehrt in den Irak abgeschoben werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat demnach in circa 1.400 Fällen bereits den Schutzstatus, der in den vergangenen Jahren an Jesid*innen aus dem Irak erteilt wurde, widerrufen, was für große Unsicherheit in der jesidischen Community gesorgt hat, denn vor Diskriminierung und Gewalt sind jesidische Menschen im Irak nicht geschützt. Zuletzt riefen 20 Mullahs öffentlich zu Gewalt gegen Jesid*innen auf.
Eine dieser Frauen, die bereits die Aufforderung zum Verlassen von Deutschland erhalten hat, ist Aliya. Sie suchte Zuflucht in Deutschland. Sie lernte die Sprache, integrierte sich und steht nun kurz vor dem Abitur. Sie möchte Ärztin werden. Doch nun droht ihr mit der Abschiebung in den Irak ein zweites furchtbares Schicksal. Sie soll zurück in eine Heimat, die es nicht mehr gibt.
Viele Bundesländer haben einen Abschiebestopp erlassen. Alle, bis auf Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Deshalb forderten wir in der letzten Plenarwoche des Jahres die Landesregierung auf, einen solchen Abschiebestopp auch in Nordrhein-Westfalen zu erlassen. Leider haben sich die anderen Fraktionen dagegen entschieden, unseren Antrag zu unterstützen. Stattdessen instrumentalisierten sie das Schicksal der Jesid*innen, um Bundesinnenministerin Nancy Faeser parteipolitisch anzugreifen. Die Partei der christlichen Nächstenliebe und die Partei, der Bürgerrechte und der Schutz von Geflüchteten so wichtig sind, haben damit nicht verhindert, dass Aliya und viele andere Jesid*innen Deutschland verlassen müssen. Das macht mich wütend und fassungslos zugleich. Auch wenn wir von Landesseite nicht viel tun können – einen Abschiebestopp zumindest für wenige Monate wäre möglich gewesen und hätte uns Zeit verschafft, eine bessere politische Lösung zu finden. Das haben CDU, Grüne und FDP aber verhindert.
Antrag „Abschiebestopp für Jesidinnen und Jesiden jetzt! – Landesregierung muss sofort handeln“ der SPD-Fraktion: rb.gy/lfuooy